Monday, May 15, 2017

Gedanken über INGEBORG bricht's @ART SPACE stift millstatt . Österreich



Gedanken zu INGEBORG bricht’s

Begrenzung und Überwindung, Suche nach Worten und Möglichkeiten, nach Veränderung und Freiheit – das sind Themen des Ingeborg Bachmann Projekts, das Leonie Humitsch und Stefanie Sternig zusammen mit zwei Musikern und sechzehn Schülerinnen und Schülern des Borg Spittal im ART SPACE stift millstatt probten und als eindringliche Tanzperformance ebendort auf die Bühne brachten.

‚INGEBORG bricht’s’ ist kein tanztheatraler Versuch über Ingeborg Bachmann, auch keine biographisch angehauchte Performance – es ist etwas ganz Eigenes, eine Annäherung an etwas Verbindendes, das im Inneren des Menschen zu suchen ist, ein Brückenschlag von Bachmann’s Gedichten in deren Ringen um Erfassung der Welt, die der Jugend nah und in dieser feurigen Existenzialität wohl auch vorbehalten ist.

Das Stück begann im Freien und entwickelte sich stimmig ohne dramaturgischen Einbruch durch die Arkaden bis in den Stift- und Betsaal des ART SPACE stift millstatt hinein.

Starke Bilder und akustische Impressionen eröffneten den Abend in der Weite des Stiftshofs. Etwa vier jungen Frauen, wispernd und regungslos im Keller hinter einem Monitor als Quartett arrangiert, der eine Rarität, private Aufnahmen von Ingeborg Bachmann zeigt, die man so fast nicht wieder erkennt. Verpixelt und altmodisch in der filmischen Qualität umspielt ein seltenes Lächeln die entspannt wirkende Dichterin.

Beeindruckend auch die große Gruppe, in der jeder in der Vereinzelung mit sich und einem Holzscheit bleibt, das gehalten, weg gestossen, getragen und von sich geworfen wird, als sei es MeinAllesaufderWelt - ein Etwas, das Zartheit und Weichheit ebenso verkörpert, wie fragende Wut und nagende Verzweiflung.

Die Scheite werden von sich geworfen und wieder an den Körper gedrückt, ein repetitiver Vorgang, der in einem der stärksten Gruppenbilder des Abends kulminiert, in dem eine jede mit ihrem Stück Holz regungslos in unverwechselbarer Haltung an eine der Säulen des Stiftshofes lehnt, steht, liegt oder diese umarmt, bevor dann das Trompetensolo von Markus Rainer eine nach der anderen einsammelt und ins Innere des Gebäudes führt wie der Rattenfänger von Hameln.

Hier dreht sich alles um den mehrere Meter langen Holzstoss in der Raummitte, der wie ein Fels in der Brandung steht für die Kraft des Holzes, das einmal Papier wird oder im Feuer sich auflöst und verbrennt, der da liegt wie aufgeschichtete Worte, die Resonanz der Sprache symbolisierend, der die Eindringlichkeit der Gedanken, Wünsche und Sehnsüchte auffängt und wie ein Spiegel intensive Gefühle sichtbar werden lässt und zurück wirft ins Publikum. Nachdenkliche Momente des Innehaltens und Suchens, gewisperte Selbstbesinnung, chorisch und solistische Artikulation im Tanz, (Motive des Fallens und immer wieder Aufstehens und Weitermachens stehen im Vordergrund), Papier wird zum Vogel, der Vorgang des Schreibens und stimmig dynamische Wechsel sind zu sehen, räumlich und szenisch gut arrangiert, musikalisch spannend begleitet von Markus Rainer und Peter Plos.

Den beiden Choreografinnen, die ebenfalls mit tanzen, ist ein Ganzes gelungen, das auch als Ganzes, als Einheit überzeugt.

Die jungen Performer sind stark, sie öffnen sich und gehen in etwas hinein, in dem sie aufgehen. Sie zeigen etwas von sich. Die Aufrichtigkeit mit der sie da fragil und selbstbewußt zugleich einstehen für das was sie tun und was ihre Rolle in diesem Stück ist, nimmt gefangen. Man spürt, dass sie auch im Arbeitsprozess ernst genommen und akzeptiert wurden und das hat sie – fettes Lob ans Regieteam - zu einer starken Gruppe aus sechzehn Individuen gemacht, der man, in jedem einzelnen Moment der 50 Minuten gerne, gespannt und berührt zuschaut.

Verdiente Standing Ovations im übervoll besetzten ART SPACE stift millstatt.
Text aks

Konzept | Performance: Leonie Humitsch und Stefanie Sternig
Musik | Komposition: Peter Plos und Markus Rainer
Bühnenbild|Raum: Martin Eineter
Licht|Technik: Florian Hermann

Performance: Michelle Bachmann, Christian Chang, Carina Dullnig, Lena Grechenig, Katharina Gugganig, Lukas Hauser, Christina Korb, Enzo Marchetti, Lisa Miklautsch, Barbara Moser, Ray Nickerl, Sarah Schönfelder, Raphael Schönfelder, Roanne Sevensma, Jessica Zopf, Maya Zwatz.



Eine Produktion von eva & eva – Verein für zeitgenössische Tanzprojekte und kunstoff
in Kooperation mit dem BORG Spittal, FORUM KUNST kulturinitiative
und büro für tanz l theater l produktionen.

ART SPACE stift millstatt  I  12. Mai 2017

No comments:

Post a Comment