Gedanken zu INGEBORG bricht’s
Begrenzung und Überwindung,
Suche nach Worten und Möglichkeiten, nach Veränderung und Freiheit – das sind Themen
des Ingeborg Bachmann Projekts, das Leonie Humitsch und Stefanie Sternig
zusammen mit zwei Musikern und sechzehn Schülerinnen und Schülern des Borg
Spittal im ART SPACE stift millstatt probten und als eindringliche Tanzperformance
ebendort auf die Bühne brachten.
‚INGEBORG bricht’s’
ist kein tanztheatraler Versuch über Ingeborg Bachmann, auch keine biographisch
angehauchte Performance – es ist etwas ganz Eigenes, eine Annäherung
an etwas Verbindendes, das im Inneren des Menschen zu suchen ist, ein Brückenschlag
von Bachmann’s Gedichten in deren Ringen um Erfassung der Welt, die der Jugend
nah und in dieser feurigen Existenzialität wohl auch vorbehalten ist.
Das Stück begann
im Freien und entwickelte sich stimmig ohne dramaturgischen Einbruch durch die
Arkaden bis in den Stift- und Betsaal des ART SPACE stift millstatt hinein.
Starke Bilder und
akustische Impressionen eröffneten den Abend in der Weite des Stiftshofs. Etwa
vier jungen Frauen, wispernd und regungslos im Keller hinter einem Monitor als
Quartett arrangiert, der eine Rarität, private Aufnahmen von Ingeborg Bachmann
zeigt, die man so fast nicht wieder erkennt. Verpixelt und altmodisch in der filmischen
Qualität umspielt ein seltenes Lächeln die entspannt wirkende Dichterin.
Beeindruckend
auch die große Gruppe, in der jeder in der Vereinzelung mit sich und einem Holzscheit
bleibt, das gehalten, weg gestossen, getragen und von sich geworfen wird, als
sei es MeinAllesaufderWelt - ein
Etwas, das Zartheit und Weichheit ebenso verkörpert, wie fragende Wut und nagende
Verzweiflung.
Die Scheite werden
von sich geworfen und wieder an den Körper gedrückt, ein repetitiver Vorgang,
der in einem der stärksten Gruppenbilder des Abends kulminiert, in dem eine
jede mit ihrem Stück Holz regungslos in unverwechselbarer Haltung an eine der Säulen
des Stiftshofes lehnt, steht, liegt oder diese umarmt, bevor dann das
Trompetensolo von Markus Rainer eine nach der anderen einsammelt und ins Innere
des Gebäudes führt wie der Rattenfänger von Hameln.
Hier dreht sich
alles um den mehrere Meter langen Holzstoss in der Raummitte, der wie ein Fels
in der Brandung steht für die Kraft des Holzes, das einmal Papier wird oder im
Feuer sich auflöst und verbrennt, der da liegt wie aufgeschichtete Worte, die
Resonanz der Sprache symbolisierend, der die Eindringlichkeit der Gedanken, Wünsche
und Sehnsüchte auffängt und wie ein Spiegel intensive Gefühle sichtbar werden lässt
und zurück wirft ins Publikum. Nachdenkliche Momente des Innehaltens und
Suchens, gewisperte Selbstbesinnung, chorisch und solistische Artikulation im
Tanz, (Motive des Fallens und immer wieder Aufstehens und Weitermachens stehen
im Vordergrund), Papier wird zum Vogel, der Vorgang des Schreibens und stimmig
dynamische Wechsel sind zu sehen, räumlich und szenisch gut arrangiert,
musikalisch spannend begleitet von Markus Rainer und Peter Plos.
Den beiden Choreografinnen,
die ebenfalls mit tanzen, ist ein Ganzes gelungen, das auch als Ganzes, als
Einheit überzeugt.
Die jungen
Performer sind stark, sie öffnen sich und gehen in etwas hinein, in dem sie
aufgehen. Sie zeigen etwas von sich. Die Aufrichtigkeit mit der sie da fragil
und selbstbewußt zugleich einstehen für das was sie tun und was ihre Rolle in
diesem Stück ist, nimmt gefangen. Man spürt, dass sie auch im Arbeitsprozess
ernst genommen und akzeptiert wurden und das hat sie – fettes Lob ans Regieteam
- zu einer starken Gruppe aus sechzehn Individuen gemacht, der man, in jedem
einzelnen Moment der 50 Minuten gerne, gespannt und berührt zuschaut.
Verdiente
Standing Ovations im übervoll besetzten ART SPACE stift millstatt.
Text aks
Konzept |
Performance: Leonie Humitsch und Stefanie
Sternig
Musik | Komposition: Peter Plos und Markus Rainer
Bühnenbild|Raum: Martin Eineter
Licht|Technik: Florian Hermann
Performance: Michelle
Bachmann, Christian Chang, Carina Dullnig, Lena Grechenig, Katharina Gugganig,
Lukas Hauser, Christina Korb, Enzo Marchetti, Lisa Miklautsch, Barbara Moser,
Ray Nickerl, Sarah Schönfelder, Raphael Schönfelder, Roanne Sevensma, Jessica
Zopf, Maya Zwatz.
Eine
Produktion von eva & eva – Verein für
zeitgenössische Tanzprojekte und
kunstoff
in
Kooperation mit dem BORG Spittal, FORUM KUNST kulturinitiative
und büro
für tanz l theater l produktionen.
ART
SPACE stift millstatt I 12. Mai 2017