ÜBER DAS HIERSEIN.
Ein Mea Culpa an die Welt
Früher pflegte ich zu beteuern, dass alles ziemlich sinnlos sei, was mir sogar eine Bronzemedaille beim Nihilismuspreis 2003 einbrachte, die mir jedoch postwendend wieder aberkannt wurde, nachdem ich mir tatsächlich die Mühe gemacht hatte, zur Preisverleihung zu erscheinen, was der Jury zum Beweis gereichte, dass mein Verständnis von Sinnlosigkeit nichts als zynische Fassade war.
Rückblickend muss ich anerkennen, dass dies eine absolut richtige Entscheidung war und ich der Frau des Juryvorsitzenden wohl nicht diese betrunkene, unflätige E-Mail hätte schicken sollen, in der ich den Hamster des Sohnes bedrohte. Aber was getan ist, ist getan...
Tatsache ist, dass Sie und ich uns jetzt gemeinsam hier in diesem Paragrafen befinden – ob es uns gefällt oder nicht. Die Frau des Juryvorsitzenden könnte natürlich eine einstweilige Verfügung gegen mich erwirken, aber im größeren Ganzen ist das doch alles recht bedeutungslos, nicht wahr? Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass besagter Hamster mittlerweile tot ist... und bei näherer Betrachtung könnte das durchaus etwas mit mir zu tun haben.
Lassen Sie mich erklären.
Schon als kleiner Junge hatte ich das Gefühl, dass irgendetwas anders an mir war; allerdings hat es eine Weile gedauert, bis ich herausfand, worum genau es sich handelte. Obwohl ich für alles, was im Leben schief lief, als Standardausrede gerne die Sinnlosigkeit heranzog, hatte ich immer auch das untrügliche Gefühl, einen Lebenszweck zu haben, der allerdings nicht aus etwas Göttlichem oder Spirituellem herrührte, sondern sich eher als eine Anomalie des Universums zeigte, das dunkle Materie um mich herum anhäufte, um mich zu seinem Agenten des Chaos zu machen.
Im Gefühl, ein moderner Atlas zu sein, wurde mir klar, dass ich schon mein ganzes Leben lang die Last der Welt auf meinen Schultern getragen hatte und die meiste, wenn nicht die gesamte Schuld für alles, was in der Welt im Argen liegt, einzig und allein auf meine Handlungen zurückzuführen ist. Es ist ein bisschen wie bei den Leuten, die glauben, dass sie das Ergebnis eines Fußballspiels durch das Tragen ihrer Glücksunterwäsche beeinflussen können, nur dass es in meinem Fall tatsächlich funktioniert – und unweigerlich zur Katastrophe führt.
Ich bitte hiermit um Entschuldigung.
Die genauen Mechanismen dieses Phänomens sind mir nicht gänzlich begreiflich, aber ich hoffe, mit diesem Geständnis ein wenig Licht auf die Frage werfen zu können, warum die Welt so ist, wie sie ist, und dass wir uns alle vielleicht etwas beruhigen können, jetzt, da wir wissen, dass ICH das alles war.
Manche von Ihnen werden vielleicht daran zweifeln, dass das, was ich sogleich berichten werde, wahr ist, aber ich sage Ihnen: Sie liegen falsch. Je mehr Sie mir entgegnen, dass das alles Zufall ist und ich an Wahnvorstellungen leide, desto mehr werde ich darauf bestehen, dass ich mir von ganzem Herzen wünschte, es wäre so, doch die Faktenlage ist eindeutig.
Also ja, ich war's. Kein Gott, kein Teufel, keine Zufälligkeiten in der Welt. Ich war's.
Im Grunde lautet mein Geständnis folgendermaßen: Wann immer auf der Welt etwas geschieht, das katastrophale Folgen nach sich ziehen könnte, stellt sich heraus, dass die Verantwortung letzten Endes bei mir – oder zumindest bei meinen Handlungen – liegt.
Korrelation = Kausalität (+ Ich)
Zum ersten Mal fiel mir dieses Muster vor etwa zehn Jahren auf, als ich gerade in Island war und eine Zeitung meines Geburtstages im Juli 1983 kaufte. Ich war gespannt darauf, zu lesen, was damals in den Nachrichten stand, doch wie sich herausstellte, war in Paris ein massiver Terroranschlag verübt worden. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, wie sollte mein neugeborenes Ich auch etwas damit zu tun gehabt haben? Doch dann begann sich ein Muster abzuzeichnen...

Jeder bemerkenswerte Tag in meiner Jugend ging mit einem großen Weltereignis einher – Erdbeben, Flugzeugabstürzen, Vulkanausbrüchen, Kriegserklärungen usw. Ich stellte fest, dass manchmal eine Änderung meines Tagesablaufs ausreichte, um einen internationalen Konflikt auszulösen, während es in anderen Fällen katastrophale Auswirkungen hatte, wenn ich meinen Tagesablauf strikt einhielt, wie damals, als ich am Morgen aufwachte, ohne auch nur einmal die Schlummertaste gedrückt zu haben, woraufhin die bereits gefährdete Rosa Elefantenspinne ausstarb (von deren Existenz ich bis dahin nicht einmal wusste).
Es ist nicht so, dass ich mir diese Geschehnisse herbeiwünsche, und ich versuche auch, meine Zufallshandlungen so weit wie möglich unter Kontrolle zu halten, aber es ist einfach unmöglich, vorherzusagen, was passiert, wenn ich auch nur irgendetwas mache, so wie ich vor ein paar Wochen den Papst ins Jenseits beförderte – ich hatte gerade einen Karton Eier fallen lassen und im nächsten Augenblick war der Kerl tot.
Waum ICH?
Glauben Sie mir, das ist eine Frage, die ich mir schon unzählige Male gestellt habe. Ich versuche, das Richtige zu tun, aber es sieht so aus, als könnte alles, was ich tue, eine verhängnisvolle Kette von Ereignissen in Gang setzen, mit potenziell katastrophalen Folgen. Das Universum scheint es einfach nicht gut mit mir zu meinen. Ich weiß nicht, womit ich es verärgert habe, aber es wird nicht besser, so viel steht fest.
Sollte man mich opfern?
Ich höre Sie schon rufen: „Warum opfern wir dieses selbstverliebte kleine Arschloch nicht einfach, damit hier mal Frieden herrscht?"
Tja, mein Freund, wenn es nur so einfach wäre. Ich habe mir einmal ein Stück meines Fingers abgeschnitten und unmittelbar danach kam es in der Andromeda-Galaxie zu einer gigantischen Supernova. Mich zu opfern, birgt letztlich die Gefahr, das gesamte Gefüge des Universums auszulöschen. Wollen Sie das etwa auf Ihren Gewissen haben? Eben, dachte ich mir. Eine von mir ausgelöste Hungersnot mag vielleicht übel sein, aber wir können uns wohl darauf einigen, dass ein ausgelöschtes Universum noch ein bisschen schlimmer ist.
Die gute Nachricht für Sie...
Die Folgen für Sie sind allerdings keineswegs unerfreulich. Sie brauchen sich nicht länger schuldig zu fühlen, dass Sie keinerlei Einfluss auf die Welt ausüben können – geben Sie einfach mir die Schuld an allem, leben Sie ihr Leben und konzentrieren Sie sich auf jedes noch so kleine Stückchen Erhabenheit, das sie finden oder schaffen können. Klar, schlimme Dinge werden weiterhin passieren, aber Sie können sie achselzuckend hinnehmen und stattdessen mich verfluchen.
Ich nehme die Last der Welt auf meine Schultern, damit Sie frei davon sind.
Dies ist mein Lebenszweck.
Gern geschehen.